14. března 2013
Grußwort von Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin Universität Leipzig an der gemeinsamen Tagung der tschechischen, österreichischen und deutschen Wissenschaftsarchive in Prag
Sehr geehrter Herr Kollege Hampl,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Cives academici
sehr gern bin ich dem Wunsch nachgekommen, heute gemeinsam mit meinem Kollegen Rektor Hampl diese europäische Tagung der Wissenschaftsarchive zu eröffnen. Mit der wunderschönen Stadt Prag verbinde ich persönlich eine erlebnisreiche Zeit nach dem Studium: als junge Assistenzärztin war ich zwischen Ost und West unterwegs und konnte auch in Prager Kliniken eine Zeit lang medizinisch arbeiten.
Darüber hinaus besteht zwischen unseren Universitäten in Prag und Leipzig eine ganz besondere Beziehung. Vielen von Ihnen ist Prag als Touristenstadt, als Goldenes Prag bekannt, viele der heute anwesenden Archivare und Historiker kennen vermutlich auch die Geschichte um das sogenannte Goldene Zeitalter, als Kaiser Karl seine Residenz nach Böhmen verlegte.
Die Regentschaft von Karl war vor allem eine Zeit des Friedens: der Handel, die Städtebaukunst und die Wissenschaften sollten Böhmen zum Kernland des Reiches machen. Noch heute zeugen der Veitsdom und die Karlsbrücke von einer regen Bautätigkeit. Auch die 1348 in Prag begründete erste mitteleuropäische Universität ist noch heute nach ihrem königlichen Stifter und Förderer benannt.
Karl konnte seine Ziele weitgehend verwirklichen, indem er mit den anderen Reichsmächten seinen Frieden machte. Die von ihm geschaffene Goldene Bulle, mit der das Wahlrecht der deutschen Könige geordnet wurde, sorgte für einen Ausgleich zwischen den wichtigsten politischen Mächten und für Stabilität im Reich.
Unter seinem Sohn und Nachfolger endete dieses Goldene Zeitalter. Die Pest zog eine tödliche Spur durch Böhmen und religiöser Zwist sorgte bald für einen kriegerischen Flächenbrand in ganz Mitteleuropa.
Auch die Karls-Universität erlebte im Frühjahr 1409 einen verheerenden Niedergang. Ihre Magister und Scholaren verstreuten sich über halb Europa, viele flohen an die schon bestehenden Universitäten nach Wien, nach Heidelberg oder Krakau. Die weitaus größte Gruppe indes wandte sich nach Norden, nach Leipzig. 1409 wurde von diesen Pragenses in Leipzig eine neue Universität gegründet.
Das ist lange, fast zu lange her, um heute noch eine spürbare Rolle zu spielen. Dennoch verknüpft seit 1409 die beiden Universitäten in Prag und Leipzig ein ganz besonderes Band miteinander, ähnlich wie Oxford und Cambridge, betrachten wir unsere Geschicke symbolisch als miteinander verwoben.
Seit dem Leipziger Universitätsjubiläum von 2009 versuchen wir gemeinsam diese Bindung zwischen Mutter- und Tochteruniversität zu erneuern. Im letzten Jahr gab es schon 18 aktive Erasmus-Partnerschaften zwischen unseren Universitäten und - auch das ist ein Novum für beide Seiten - einen gemeinsamen Bachelor-Studiengang der Slawistik über die Landesgrenzen hinweg.
Wie schon zu Karls Zeiten bietet nur das europäische Miteinander beste Chancen auf eine friedliche Zukunft, in der auch die gemeinsame Vergangenheit eine integrative Rolle spielt. Ich habe gehört, dass Sie mit Ihrer internationalen Tagung über Landesgrenzen hinweg in diesem Jahr erstmals einen neuen Weg beschreiten.
Dabei kann ich Sie nur ermutigen, denn gerade die Archive galten früher als Waffenkammer für nationalistische Vorurteile und Schreckensgeschichten. Aber die vergangene Geschichte darf für die Völker in Mitteleuropa keine trennende Barriere mehr sein, vielmehr sollten die Historiker und Archivare stärker die gemeinsamen Elemente herausstreichen. Dazu braucht es Studenten, Nachwuchswissenschaftler und Professoren, die sich diesem Thema mit dem nötigen akademischen Eifer widmen und natürlich auch einer fördernden Unterstützung seitens der Universitäten.
Am Ende meiner Rede möchte ich Ihnen daher noch ein ganz klares Signal aus der Universität Leipzig übermitteln. Was ich Ihnen jetzt vortrage, ist noch nicht ganz offiziell, aber ich glaube, Ihre Tagung ist für diese Mitteilung geradezu prädestiniert, Sie sollen es daher als Erste erfahren.
Dank einer großzügigen privaten Spende wird die Universität Leipzig in diesem Jahr und in den folgenden Jahrzehnten einen internationalen Forschungspreis für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte vergeben. Dieser gut dotierte Preis ist benannt nach dem renommierten Geophysiker und Meteorologen Ludwig Weickmann, der in den 1920er Jahren von Leipzig aus zahlreiche weltweite Forschungsnetzwerke knüpfte. Verliehen wird dieser Preis ausschließlich an internationale Nachwuchskräfte, die sich im Rahmen einer Graduierungsarbeit mit historischen Quellen beschäftigen und neue Forschungsergebnisse vorlegen können. Vielleicht, und damit bin ich am Ende meiner Rede angekommen, werde ich im Herbst dieses Jahres die Freude haben, jemanden aus dem Publikum bei der Preisverleihung in Leipzig wiederzusehen. Wissenschaftsgeschichte, das darf ich Ihnen versichern, hat im Herzen Mitteleuropas, und besonders zwischen Prag und Leipzig, immer Konjunktur und dazu brauchen wir gute Archive.